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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
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9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2012

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Abstract

Gleiche Chance in Bildung & Beruf - Die Situation von bildungsfernen Jugendlichen in Kärnten

Von:
Klinglmair, Robert; Institut für Höhere Studien (IHS) Kärnten, Österreich

Session: 2
Zeit: Donnerstag, 05.07.2012, 16:30 - 18:30
Ort: FH Saal A
Typ: Paper
Downloads: Präsentation als PDF



„Bildung ist in einer Wissensgesellschaft von zentraler Bedeutung. Produktionsorientierte und niedrigqualifizierte Tätigkeiten verlieren in hoch entwickelten Wirtschaften an Relevanz. Für schlechter ausgebildete Arbeitskräfte wird es somit immer schwieriger, einen Job zu bekommen oder ihn zu behalten. Auf der individuellen Ebene hat Bildung einen wesentlichen Einfluss auf die Erwerbs- und Einkommenschancen. Bildung hängt damit nicht nur mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt zusammen. Sie ist ein entscheidender Faktor für den persönlichen Wohlstand“ (Statistik Austria, 2010, Bildung in Zahlen 2008/2009, S. 90).
Gerade Jugendliche sind vom Strukturwandel am Arbeitsmarkt besonders betroffen. Kumulieren zudem mehrere Arbeitsmarktrisiken, wird die erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt weiter erschwert. So zeigen Daten der amtlichen Statistik, dass rund 15 % der österreichischen Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren atypische und/oder abgebrochene Bildungs- und Berufsverläufe aufweisen und damit einen wesentlichen Teil der „Problemgruppe“ der Arbeitsmarktpolitik ausmachen (vgl. etwa Gregoritsch et al., 2009, Jugendliche mit akutem Qualifikationsbedarf).
Auf individueller Ebene impliziert Bildungsarmut eine vergleichsweise ungünstige Stellung am Arbeitsmarkt (höheres Arbeitslosigkeitsrisiko, geringere Erwerbsbeteiligung etc.), die auch mit einem erhöhten Armutsrisiko einhergeht, als dessen Triebfeder gerade geringe Bildung fungiert (vgl. etwa Steiner & Wagner, 2007, Dropoutstrategie oder BMASK, 2011, Armutsgefährdung und Lebensbedingungen in Österreich). Dieser Zusammenhang zeigt sich als persistent und setzt sich im Erwachsenenalter fort.
Auf gesellschaftlicher Ebene sind durch Bildungsarmut hohe Folgekosten in Form von entgangenem Wirtschaftswachstum und/oder Produktivitätsverlusten zu erwarten, werden Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit vor allem durch das Fachkräftepotential am Arbeitsmarkt und einen ständigen Strom an Innovationen bestimmt (vgl. etwa Europäische Kommission, 2006, Efficiency and Equity in European Education and Training Systems oder Wößmann & Piopiunik, 2009, Was unzureichende Bildung kostet). Angesichts der bevorstehenden demographischen Entwicklung – sinkendes Erwerbspotential bei gleichzeitiger (Über)Alterung – gilt es dem frühzeitigen Bildungsabbruch einen prominenten Platz auf der politischen Agenda einzuräumen.
Seitens der Bildungsforschung besteht diesbezüglich verstärkter Handlungsbedarf, als mögliche Interventionsstrategien gegen Bildungsarmut auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen müssen, wenn sie effektiv und effizient sein sollen. Doch wird etwa im Nationalen Bildungsbericht des Jahres 2009 herausgearbeitet, dass gerade zum frühzeitigen Bildungsabbruch forschungsbasierte Erkenntnisse in Österreich gering sind und nur wenige Daten vorliegen. Demnach konnte eine Forschungslücke identifiziert werden, die es – zumindest ansatzweise – zu schließen gilt und sich in folgender Forschungsfrage zusammenfassen lässt: welche Faktoren sind maßgeblich dafür, bildungsfern zu werden?
Aus diesen Einflussfaktoren sollen schließlich präventive Maßnahmen für die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik abgeleitet werden, die derzeit nur in geringem Ausmaß vorliegen. „Nachsorgende“ Maßnahmen, also nachdem ein Bildungsabbruch stattgefunden hat, dominieren. Diese können die Situation der Jugendlichen jedoch nicht nachhaltig verbessern, da sie in den meisten Fällen einen formalen Bildungsabschluss nicht ersetzen.
Um tiefere Einblicke in die multikausale Problemlage zu erhalten, wurde aufgrund mangelnder Daten eine umfangreiche schriftliche Befragung von 15- bis 24-jährigen Kärntner Jugendlichen durchgeführt; bei 6.700 versendeten Fragebögen konnte eine repräsentative Stichprobe von mehr als 1.500 verwertbaren Fragebögen erhoben werden.
Auf Basis dieser Daten wurde – neben spezifischen Vergleichen zwischen bildungsfernen Jugendlichen und ihrer Komplementärgruppe, bei denen der Übergang in eine weiterführende Ausbildung bzw. den Arbeitsmarkt friktionsfrei verlaufen ist – ein „Binary Respone Modell“ (Logit) geschätzt, das insgesamt zehn statistisch signifikante Determinanten für Bildungsbenachteiligung identifizieren konnte. Diese entsprechen zum einen den Erwartungen und bestätigen bekannte Einflussfaktoren auch für Kärnten, liefern zum anderen jedoch Hinweise, für die es bis dato keine empirische Evidenz gibt (z.B. Klassenwiederholung). Ein Vergleich der Ergebnisse mit jüngeren Untersuchungen (z.B. Niederberger & Lentner, 2010, Bildungsferne Jugendliche) erscheint dabei zielführend.
Auf Basis der aus dem Modell berechneten Wahrscheinlichkeiten für einen Bildungsabbruch konnte in weiterer Folge ein Frühwarnsystem für die Pflichtschule abgeleitet werden, das wichtige Ansätze dazu liefern könnte, ein vorzeitiges Verlassen des Bildungssystems präventiv zu verhindern. Neben den bildungsfernen Jugendlichen selbst, könnte davon auch der Wirtschaftsstandort Österreich profitieren.

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