Skip to main content

BMBWF BMAW AMSInnsbruck Logo Land Tirol    ÖFEB

BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2012

pdfBook of Abstracts 2012

 

Abstract

Medien- und Technikkompetenz als Basiskompetenzen für die Arbeit

Von:
Roth-Ebner, Caroline; Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Österreich

Session: 1
Zeit: Donnerstag, 05.07.2012, 14:00 - 16:00
Ort: FH Saal B
Typ: Paper



Seit der Etablierung des Personal Computers in den Büros in den 1980er und 1990er Jahren wird unsere Arbeit zunehmend von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) beeinflusst. In Zeiten von digitalen und mobilen Medien wie Smartphone, Tablet-PC & Co. ist Arbeit inzwischen unabhängig von räumlichen und zeitlichen Begrenzungen möglich geworden. In diesem Zusammenhang ändern sich sowohl Arbeitsstrukturen und -bedingungen als auch die Kommunikation und soziale Beziehungen bei der Arbeit. Auch das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit gestaltet sich neu. Der Wandel von Arbeit, der unter den Stichworten “Postfordismus” (etwa bei Seifert 2004), “Flexibilisierung” (Sennett 2000), “Entgrenzung” (Voß 1998) oder “Subjektivierung” (Schönberger/Springer 2003) theoretisch umfassend diskutiert wird, geht Hand in Hand mit technologischen Entwicklungen. Diese evozieren neue Handlungsoptionen, aber auch neue Risiken. Die Komplexität der Technik erfordert komplexe Kompetenzen für einen sinnvollen und reflektierten Umgang mit den Instrumenten und Tools.
In meiner aktuellen empirischen Studie “Arbeit in der Dynamik von Medien, Zeit und Raum” spüre ich diesen Zusammenhängen nach. Im Mittelpunkt der Forschung stehen so genannte “Digicom-ArbeiterInnen”. Dies sind Personen, die in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld hauptsächlich mit Aufgaben der Kommunikation und Information beschäftigt sind, wobei diese vorwiegend mit Hilfe digitaler Technologie abgewickelt werden. Es sind Arbeitsplätze, die zum Teil virtuell organisiert sind, sodass die Personen unabhängig von Raum und Zeit agieren können. „Digicom-ArbeiterInnen“ können unterschiedlichsten Berufsgruppen angehören – sie sind beispielsweise ManagerInnen, SoftwaredesignerInnen oder KoordinatorInnen von internationalen Projekten.
Die forschungsleitenden Fragen der Studie sind:
1.Wie gestaltet sich unter dem Einfluss von IKT die Wahrnehmung von Zeit und Raum bei der Arbeit?
2.Welche Chancen und Herausforderungen sind mit der Nutzung von IKT bei der Arbeit verbunden?
3.Welche Strategien sind erforderlich, um die Technologien gewinnbringend zu nutzen?
Im Rahmen meiner Präsentation lege ich den Fokus auf die dritte Frage. Anhand empirischen Materials werde ich die wichtigsten Strategien darlegen. Als Konsequenz daraus formuliere ich am Ende die Eckpunkte einer Medien- und Technikkompetenz für die Arbeit. Diese geht in meiner Definition weit über die instrumentelle Nutzung der Apparate und Programme hinaus und bezieht auch soziale und ethische Aspekte mit ein. Am Arbeitsplatz wird der fachgerechte Umgang mit Medien und den entsprechenden Technologien vorausgesetzt. Doch die Ausbildung von Fähigkeiten im Umgang mit der Technik bzw. den Medien bleibt größtenteils dem Eigenengagement und Talent der arbeitenden Individuen überlassen. Wie die Studie gezeigt hat, gibt es kaum konkrete Überlegungen, wie diese Fähigkeiten in Betrieben und Organisationen gefördert werden können. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion ist Medienkompetenz vorwiegend in Zusammenhang mit pädagogischen Bemühungen um Kinder und Jugendliche Thema. Eine Medienkompetenz für die Arbeit stellt hingegen eine Forschungslücke dar, zu deren Schließung meine Studie beitragen soll.

Methodisch liegt der Studie ein triangulatives Forschungsdesign zugrunde. Den Fokus bilden 20 qualitative Interviews mit Digicom-ArbeiterInnen aus unterschiedlichen Branchen und Beschäftigungsverhältnissen. Vor den Interviews kam die Tagebuchmethode zum Einsatz, wobei die InterviewpartnerInnen für den Zeitraum von einer Woche ihre Mediennutzung bei der Arbeit protokollierten. Dies war einerseits nötig, damit sich die Interviewerin besser auf die Interviewgespräche vorbereiten konnte. Auf der anderen Seite half die Protokollierung den InformantInnen, ihre eigene Mediennutzung bewusst zu reflektieren. Dies führte zu zuverlässigeren Angaben in den Interviewgesprächen. Darüber hinaus wurde die Methode des Visualisierens (vgl. etwa Schachtner 1993) umgesetzt. Dabei fertigten die InterviewpartnerInnen nach dem Interview eine Zeichnung zu einem vorgegebenen Impuls an. Das entstandene Bild wurde danach verbal besprochen. Diese Methode kann ergänzende Informationen zum Interview hervorbringen bzw. das im Interview Gesagte unterstreichen oder kontrastieren. Aufbauend auf den Interviewergebnissen wurde eine standardisierte Umfrage durchgeführt, um die Stichprobe auf eine größere Population auszudehnen.

Der Vortrag geht zunächst auf die theoretische Diskussion zum Wandel von Arbeit ein, ehe im zweiten Teil die Eckdaten der Studie erläutert werden. Im Hauptteil sind die Strategien und Kompetenzen für eine sinnvolle Medien- und Techniknutzung bei der Arbeit Thema, wobei auch Beispiele aus dem empirischen Material einbezogen werden. Die Präsentation schließt mit der Konzeptualisierung von Medien- und Technikkompetenz als Basiskompetenzen für die Arbeit.

Literatur:
Schachtner, Christel: Geistmaschine. Faszination und Provokation am Computer, Frankfurt a. Main: Suhrkamp, 1993
Schönberger, Klaus/Springer, Stefanie (Hrsg.): Subjektivierte Arbeit. Mensch, Organisation und Technik in einer entgrenzten Arbeitswelt, Frankfurt/New York: Campus, 2003
Seifert, Manfred: Wie postmodern ist das postfordistische Arbeitsmodell? Arbeit und Identität in historischen und gegenwärtigen Kontexten, in: Hirschfelder, Gunther/Huber, Birgit (Hrsg.): Die Virtualisierung der Arbeit. Zur Ethnographie neuer Arbeits- und Organisationsformen, Frankfurt/New York: Campus, 2004, S. 333-356
Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, aus dem Amerikan. von Martin Richter, 7. Aufl., München: Goldmann, 2000
Voß, G. Günter: Die Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft. Eine subjektorientierte Interpretation des Wandels der Arbeit, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 31. Jg., H. 3, 1998, S. 473-487

Weitere Abstracts