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BBFK 2024

Berufsbildung in Zeiten des Mangels

Handlungserfordernisse
neu denken
9. österreichische Berufsbildungsforschungskonferenz am 3.-5.07.2024 in Innsbruck

Abstracts 2012

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Abstract

Entdeckung von Chancen und Risiken für eine Berufsausbildung mit verkürzter Ausbildungsdauer am Beispiel Kfz-Servicemechaniker/in

Von:
Becker, Matthias; Universität Flensburg, Deutschland
Spöttl, Georg; Universität Bremen, Deutschland

Session: 2
Zeit: Donnerstag, 05.07.2012, 16:30 - 18:30
Ort: FH Saal D
Typ: Paper
Downloads: Präsentation als PDF



Ausbildungsgänge mit nur zweijähriger Ausbildungsdauer haben in den letzten Jahren in Ländern wie Dänemark, der Schweiz und in Deutschland Fuß gefasst, so auch diejenige zum/zur Kraftfahrzeugservicemechaniker/Kraftfahrzeugservicemechanikerin in Deutschland. Der Ausbildungsberuf wurde zum 1. August 2004 für eine Erprobung zunächst bis zum 31. Juli 2009 verordnet und mit geringen Modifikationen bis zum 31. Juli 2013 verlängert. In den Jahren 2010 und 2011 wurde die Erprobung durch die beiden Vortragenden im Bundesgebiet evaluiert. Dabei standen Forschungsfragen zu Lern- und Entwicklungschancen schwächerer Schulabsolventen und deren späteren Beschäftigungschancen im Zentrum (vgl. http://www.bibb.de/de/5042.htm), deren Beantwortung zur Beratung des Sachverständigenbeirats bezüglich der Beurteilung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation durch die Einführung des Ausbildungsberufes genutzt wurde. Die Untersuchung ist hinsichtlich des Spannungsfeldes beruflicher Anforderungen in Kfz-Betrieben mit seinen komplexen Aufgaben und einem Ausbildungsprofil im Service- und Reparatursektor mit einem reduzierten Qualifikationsniveau besonders interessant: Welche Chancen werden dieser Zielgruppe eröffnet und welche Risiken birgt ein solcher Ausbildungsgang? Diesen Fragen konnte durch die Anwendung berufswissenschaftlicher Fallstudien vertieft nachgegangen werden.

Kernfragen der Etablierung und Evaluation von Ausbildungsberufen sind durch die Kriterienliste des damaligen Bundesauschusses für Berufsbildung betreffend der „Kriterien und Verfahren für die Anerkennung und Aufhebung von Ausbildungsberufen“ (BWP 1974) aufgestellt und bis heute relevant, insbesondere die Frage, ob mit der Ausbildung eine „Anlage auf dauerhafte, vom Lebensalter unabhängige berufliche Tätigkeit“ (ebd.) geschaffen, eine „Grundlage für Fortbildung und beruflichen Aufstieg“ (ebd.) gegeben und letztlich ein „hinreichender Bedarf an entsprechenden Qualifikationen, der zeitlich unbegrenzt und einzelbetriebsunabhängig ist“ (ebd.) vorhanden ist. Solche Fragen lassen sich nur schwer durch quantitativ ausgerichtete Befragungsmethoden (schriftliche Befragungen) beantworten, weil diese nur wenig Gelegenheit geben, Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren aufzudecken. Auf letztere kommt es aber ent-scheidend an, weil Berufe als gesellschaftlich ausgehandelte Konstrukte vielfältige Abhängigkeiten von Arbeitsorganisationsformen, Aufgabenstrukturen, Weiterbildungsmöglichkeiten sowie technologischen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen haben. Am Beispiel der Evaluation des zur Erprobung erlassenen Ausbildungsberufes Kfz-Servicemechaniker/in lässt sich zeigen, dass diese Wechselbeziehungen durch berufswissenschaftlich ausgerichtete Fallstudien aufgedeckt und zur Beantwortung von Gestaltungsfragen nutzbar gemacht werden können. Im Beitrag wird die Reichweite und der jeweilige Erkenntnisgewinn mehrerer Befragungsmethoden am Beispiel der Erhebungen zum Kfz-Servicemechaniker diskutiert und aufgezeigt, welche Wirkungen die Ergebnisse jeweils auf die Entscheidungsfindung zur Weiterentwicklung des Erpro-bungsberufes Kfz-Servicemechaniker hatten.

Erfüllung (fach-)wissenschaftlicher Standards

Die Forschungsfragen der bundesweiten Untersuchung des Kfz-Servicemechanikers (vgl. Becker u. a. 2012) wurden durch ein Forschungsdesign bestehend aus quantitativen Erhebungen zur Erfassung von Trends und zur Erhöhung der Reliabilität und Objektivität und aus qualitativen Erhebungen (berufswissenschaftliche Fallstudien) zur vertiefenden Beantwortung und Aufdeckung von Wechselbeziehungen untersucht. Dadurch ließen sich insbesondere die betrieblichen und schulischen Bedingungen aufdecken, unter denen Kfz-Servicemechaniker/innen eine den Berufskriterien entsprechende Beschäftigung finden können.

Das Fallstudienkonzept erlaubte vertiefte Einblicke in die Beschäftigungschancen in Kfz-Werkstätten und wurde durch insgesamt 23 Fallstudien in Betrieben, beruflichen Schulen, Kammern/Innungen, überbetriebli-chen Bildungsstätten unter Einbeziehung von Auszubildenden, Ausbildern, Lehrkräften, Prüfungsverantwortlichen und politisch aktiven Experten umgesetzt.

Der Beitrag soll aufzeigen, wie durch eine kriteriengestützte Auswahl von Fällen eine hohe Validität und Reliabilität berufswissenschaftlicher Fallstudien erreicht werden kann und wie sich dieser forschungsmethodische Ansatz mit quantitativen Erhebungsmethodiken verbinden lässt, um so zu gut begründeten Entscheidungen hinsichtlich sinnvoller Berufsstrukturen zu gelangen. Der Erfolg der unterschiedlichen Methoden und Erhebungsinstrumente wird an realen Beispielen konkretisiert.

BWP (1974): Empfehlung betr. Kriterien und Verfahren für die Anerkennung und Aufhebung von Ausbildungsberufen. Bonn: Bundesausschuss für Berufsbildung. BWP 5/1974.

Becker, M.; Spöttl, G.; Karges, T.; Musekamp, F.; Bertram, B. (2012): Kfz-Servicemechaniker/in auf dem Prüfstand (in Vorbereitung).

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